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Sunday, May 21, 2006

Mangelnde Ähnlichkeit als Trennungsgrund? Eine Teilnehmerin an unseren Online-Bögen fragte nach, ob das Fehlen von Ähnlichkeit in der Persönlichkeit mit ihrem Partner für eine Trennung sprechen würde? Auf nochmalige Nachfrage durch uns ergab sich, dass die Partnerschaft tatsächlich seit Längerem konfliktär ist, u.a. auch deshalb, weil grundsätzliche Differenzen im Hinblick auf die Lebens- und Beziehungsgestaltung bestehen. Insofern ist der Befund starker Diskrepanzen im Persönlichkeitsprofil also durchaus konsistent mit der Partnerschaftsrealität. Trotzdem würden wir nicht so weit gehen, quasi nicht nur eine Partnervermittlung, sondern auch noch eine Trennungsförderung zu betreiben! Bei der Vermittlung wollen wir natürlich sicherstellen, dass derartige Diskrepanzen gar nicht erst auftreten und so künftige Konflikte vermieden werden können. Wenn aber bereits eine Partnerschaft besteht, folgt aus den vorliegenden Diskrepanzen keineswegs, auch wenn die Beziehung konfliktär ist, eine psychologisch begründete Empfehlung zur Trennung. Vielmehr stellt sich in diesem Fall zunächst die Frage, ob sich nicht brachliegende Gemeinsamkeiten erschließen und bestehende Unterschiede integrieren lassen: So weisen im konkreten Fall beide Partner persönlichkeitsstrukturell eine hohe Offenheit für Werte und im Bereich der gesellschaftlichen Einstellungen ein hohes politisches Interesse mit ausgeprägtem Umwelt- und Sozialbezug auf. Es fragt sich, ob, trotz der starken sonstigen Differenzen, sich dies nicht nutzen lassen sollte, um über gemeinsames politisches Engagement erneut zueinander zu finden. Interessanterweise ergab sich, dass sich das Paar tatsächlich vor etlichen Jahren im Kontext politischer Aktivitäten kennenlernte, dann aber mit den Jahren die gemeinsamen politischen Aktivitäten einstellte und im sonstigen Leben nicht mehr zueinander fand. Beiden leuchtete unmittelbar die Möglichkeit ein, statt künftig weiter aneinander vorbeizuleben, vielleicht diesen brachliegenden Bereich an Gemeinsamkeit erneut zu erschließen. Zusätzlich stellte sich im konkreten Fall die Integrationsfrage bestehender Unterschiede: Während die Anfragende eine hohe Gewissenhaftigkeit mit insbesondere einer hohen Ordnungsfacette aufweist, ist bei ihrem Partner das Gegenteil der Fall. Ständig führt dies zu Auseinandersetzungen. Dabei ergab sich auf Nachfrage, dass beide zusammenleben, aber keine Zimmertrennung besteht. Eben dies ist aber in Anbetracht der bestehenden Ordnungsunterschiede problematisch. Wenn man in bestimmten Aspekten nicht zueinander findet, ist manchmal eine partielle Ausgliederung dieser Aspekte durch eine räumliche Trennung sinnvoll. Im konkreten Fall könnte die Situation sich entspannen, wenn beide zunächst das Bestehen der Diskrepanz als solcher akzeptieren, dann sich für eine konsequente Zimmertrennung entscheiden und bezüglich der gemeinsamen Räume einen Kompromiss ausarbeiten, der in der Mitte zwischen beiden Ordnungsvorstellungen liegt. So sollte es möglich sein, die bestehende Diskrepanz, die ein ständiges Ärgernis zwischen beiden ist, konstruktiv zu integrieren, ohne sie zu leugnen oder (unrealistischerweise) versuchen zu wollen, sie gänzlich zu überwinden. Es ergibt sich zusammengefasst: (1) Bei der Partnervermittlung ist es sinnvoll, Diskrepanzen in grundlegenden Merkmalen des Lebensstiles so weit als möglich zu minimieren. (2) Liegen aber Lebensstildiskrepanzen in bereits bestehenden Partnerschaften vor, sind diese nicht notwendigerweise ein Trennungsgrund. (3) Auch wenn es nicht immer leicht sind, lassen sich bestehende Diskrepanzen bei gegenseitiger Bereitschaft oftmals integrieren und zudem in aller Regel brachliegende Übereinstimmungen erschließen. (4) Es ist meistens sinnvoller, ökonomischer und oftmals schmerzloser, zunächst ernsthaft zu versuchen, Beziehungskrisen konstruktiv zu bewältigen, anstatt sich vorschnell für eine Trennung zu entscheiden und sich dadurch möglicherweise in die nächste Krise zu stürzen.

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